Anerkennung als sozialer Freiheit Titus Stahl [email protected] Goethe-Universit¨ at Frankfurt a. M Workshop “Anerkennung und Freiheit” Institut f¨ ur Sozialforschung, Frankfurt a. M. 27.-28. Juni 2008 Titus Stahl Goethe-Universit¨ at Frankfurt
Soziale Freiheit“ Erweiterung der individualistischen Auffassung von Freiheit Vorwurf: Vernachl¨ assigung der sozialen Komponenten der Freiheit durch diese Auffassung Titus Stahl Goethe-Universit¨ at Frankfurt
Berlins Argument gegen (unkontrollierte) Erweiterungen des einfachen Freiheitsbegriffs: Freiheit ist der zentrale Wert unseres modernen Freiheitsverst¨ andnisses Daher hat die Frage, ob etwas als Komponente der Freiheit charakterisiert werden kann, normative Konsequenzen Die Bedeutung von ” Freiheit“ ist also keine Sache reiner Konvention, sondern moralischer und politischer Auseinandersetzung Titus Stahl Goethe-Universit¨ at Frankfurt
Aus dieser Einsicht lassen sich Kriterien daf¨ ur gewinnen, wann (aus liberaler Sicht) eine legitime Erweiterung des Freiheitsbegriffs vorgenommen werden kann. 1 Deskriptive Angemessenheit: Das neu eingef¨ uhrte Verst¨ andnis von Freiheit muss die liberale Kernbedeutung der zwangfreien Selbstbestimmung als Gut f¨ ur individuelle Subjekte aufnehmen k¨ onnen. 2 Normative Angemessenheit: Das neu eingef¨ uhrte Verst¨ andnis von Freiheit muss die wesentlichen normativen Eigenschaften der urspr¨ unglichen Idee teilen, um den impliziten Anspruch begr¨ unden zu k¨ onnen, die zentrale normative Stellung, die allgemein Freiheit zugeschrieben wird, einnehmen zu k¨ onnen. Titus Stahl Goethe-Universit¨ at Frankfurt
Anerkennung als sozialer Freiheit 1 Anerkennung als externe Voraussetzung f¨ ur liberale Freiheit 2 Anerkennung als interner Bestandteil liberaler Freiheit 3 Anerkennung als Bedingung kollektiver Autonomie Titus Stahl Goethe-Universit¨ at Frankfurt
Voraussetzung f¨ ur liberale Freiheit (a) Anerkennung als Voraussetzung f¨ ur die Entwicklung freiheitsnotwendiger F¨ ahigkeiten kein Anspruch auf freie Selbstbestimmung im engeren Sinne empirische These fehlende Entwicklung als Zwang? Titus Stahl Goethe-Universit¨ at Frankfurt
Voraussetzung f¨ ur liberale Freiheit (b) Anerkennung als Voraussetzung f¨ ur minimale Zwangsfreiheit nur bei deflation¨ arem Verst¨ andnis von ” Anerkennung“ wahr sonst falsch – minimale Freiheit auch ohne Anerkennung m¨ oglich Titus Stahl Goethe-Universit¨ at Frankfurt
Voraussetzung f¨ ur liberale Freiheit (c) Anerkennung als Voraussetzung f¨ ur maximale Zwangsfreiheit Idee ” realer“ Freiheit (vgl. van Parijs) Aber Anerkennung besondere Voraussetzung: Entweder ist die Herstellung ” freierer“ Verh¨ altnisse mit Zwang verbunden, oder man muss sich auf einen nicht-liberalen, perfektionistischen Freiheitsbegriff festlegen Titus Stahl Goethe-Universit¨ at Frankfurt
Anerkennung K¨ onnen soziale Gruppen frei sein? Pettit: Kollektivierung der Vernunft These: Kollektive haben intentionale Zust¨ ande, k¨ onnen sich rational verpflichten, usw., in einer Weise, die nicht aus entsprechenden Zust¨ anden oder Verpflichtungen der Individuen ” zusammengesetzt“ ist Gruppen k¨ onnen Subjekte von Verantwortung sein Folglich k¨ onnen Gruppen auch frei sein Titus Stahl Goethe-Universit¨ at Frankfurt
Anerkennung Ergebnis: Die Erweiterung des Freiheitsbegriffs auf Gruppen ist deskriptiv angemessen Sie ist aber normativ nicht als Gut f¨ ur Individuen explizierbar Titus Stahl Goethe-Universit¨ at Frankfurt
Bedingung liberaler Freiheit Ein Argument f¨ ur Anerkennung als konstitutive Bedingung liberaler Freiheit: Kantische Idee des Willens als eines Prinzips Regelfolgenproblem: Individuen als solche k¨ onnen keinen Prinzipien folgen Aber Individuen in einer Gemeinschaft k¨ onnen geteilte Prinzipien etablieren Anerkennung ist notwendiger Bestandteil solcher gemeinsamer normativen Praktiken Also: Anerkennung ist notwendig f¨ ur Freiheit Titus Stahl Goethe-Universit¨ at Frankfurt
Bedingung liberaler Freiheit Minimale und volle soziale Freiheit: a) Freiheit der Mitgliedschaft b) Individuelle Interpretationsfreiheit bez¨ uglich der sozialen Normen c) Selbstbestimmung in der diskursiven Aushandlung von Anerkennungsanspr¨ uchen a) - c): Volles Modell sozialer Freiheit Titus Stahl Goethe-Universit¨ at Frankfurt
sozialer Freiheit bei Hegel Anerkennung als Voraussetzung individueller Selbstbestimmung ist zentrales Modell. Unerl¨ assliche Bestandteile dieser Freiheit sind jedoch zugleich: Kollektive Selbstbestimmung einer Gemeinschaft Subjektive Identifikation mit kollektiven Haltungen Individuelle Befriedigung der Willk¨ ur Titus Stahl Goethe-Universit¨ at Frankfurt
sozialer Freiheit bei Hegel Erst wenn Institutionen die drei Kriterien der freien Mitgliedschaft in kollektiven Haltungen, der Anerkennung von Einspr¨ uchen und der diskursiven Verhandlung der Metanormen zulassen, dann kann soziale Freiheit verwirklicht werden, die im Verbund mit der materiellen Verwirklichung liberaler Freiheit und der subjektiven Identifikation mit den kollektiven Normen, es Menschen m¨ oglich macht, sich in einer Weise an individuelle und gemeinsame Projekte zu binden, die ihnen nicht als Fremdbestimmung vorkommen muss. Titus Stahl Goethe-Universit¨ at Frankfurt