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Soziale Gerechtigkeit und institutionelle Macht

Titus Stahl
September 15, 2011

Soziale Gerechtigkeit und institutionelle Macht

Titus Stahl

September 15, 2011
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  1. Soziale Gerechtigkeit und institutionelle Macht Soziale Gerechtigkeit und institutionelle Macht

    Titus Stahl Institut für Philosophie der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt a. M. Welt der Gründe. DGPhil-Kongress 2011 11.-15. September 2011, München Titus Stahl Goethe-Universität Frankfurt
  2. Soziale Gerechtigkeit und institutionelle Macht Soziale Gerechtigkeit Intuition: Gerechtigkeitstheorie als

    Entwurf von Maÿstäben zur Beurteilung struktureller Eigenschaften von Praktiken und Institutionen. Titus Stahl Goethe-Universität Frankfurt
  3. Soziale Gerechtigkeit und institutionelle Macht Liberale Theorien Liberale Theorien (z.

    B. Rawls): ...beziehen sich auf die institutionelle Grundstruktur der Gesellschaft, ...verstehen Institutionen als Regelsystem, das Positionen mit Rechten, Pichten und Machtbefugnissen bestimmt. Erwartung: Theorie über die Legitimität spezischer institutioneller Strukturen, insbesondere hinsichtlich der Zuweisung von Rechten und Pichten und hinsichtlich von Machtbeziehungen. Titus Stahl Goethe-Universität Frankfurt
  4. Soziale Gerechtigkeit und institutionelle Macht Distributives Paradigma Aber: Rawls entwirft

    Gerechtigkeitskriterien, die  abgesehen vom Kriterium der Chancengleichheit  ausschlieÿlich die Auswirkungen von Institutionen auf die Verteilung unabhängig denierter Güter und Freiheiten bewerten. Titus Stahl Goethe-Universität Frankfurt
  5. Soziale Gerechtigkeit und institutionelle Macht Institutionenunabhängigkeit Damit das Rawls'sche Gerechtigkeitskriterium,

    das sich auf die Verteilungseekte von Institutionen bezieht, zur Entscheidung zwischen verschiedenen möglichen Ausgestaltungen der gesellschaftlichen Grundstruktur dienen kann, muss folgendes gelten: Der Wert der zu verteilenden Güter (bzw. Rechte) muss unabhängig von der Existenz spezischer Institutionen verständlich sein. Folglich müssen die Eigenschaften der Güter (Rechte), die diesen Wert ausmachen, ontologisch unabhängig von spezischen Institutionen sein. Titus Stahl Goethe-Universität Frankfurt
  6. Soziale Gerechtigkeit und institutionelle Macht Ein Problem? Wieso ist das

    ein Problem? Titus Stahl Goethe-Universität Frankfurt
  7. Soziale Gerechtigkeit und institutionelle Macht Searle über Institutionen Institution: Zuschreibung

    eines institutionellen Status an Objekte, Handlungen oder Personen durch kollektive Akzeptanz einer konstitutiven Regel der Form X gilt als Y im Kontext C. Titus Stahl Goethe-Universität Frankfurt
  8. Soziale Gerechtigkeit und institutionelle Macht Searle über Institutionen X gilt

    als Y im Kontext C. Y-Term bezeichnet den institutionellen Status, der sich als ein Netz von Rechten und Pichten erläutern lässt. Titus Stahl Goethe-Universität Frankfurt
  9. Soziale Gerechtigkeit und institutionelle Macht Institutionen und Macht Institutionelle Tatsachen

    sind notwendigerweise mit Machtbeziehungen verwoben. − → durch Institutionen konstituierte Macht: Beschränkung und Erweiterung von Handlungsspielräumen Schaung von Zwangsmechanismen zur Regeldurchsetzung Schaung neuer Handlungstypen Titus Stahl Goethe-Universität Frankfurt
  10. Soziale Gerechtigkeit und institutionelle Macht Institutionen und Macht Institutionelle Tatsachen

    implizieren jedoch auch noch einen weiteren Machttypus: − →Konstitutive Macht: Fähigkeit, durch Akzeptanz von Statusfunktionen Institutionen zu schaen, zu verändern oder zu zerstören. Konstitutive Macht kann durch institutionelle Strukturen gestärkt oder geschwächt werden. Titus Stahl Goethe-Universität Frankfurt
  11. Soziale Gerechtigkeit und institutionelle Macht Zurück zu Rawls Was eine

    distributive Theorie nicht erfassen kann: Güter und Rechte sind wesentlich in ihrem Wert durch institutionell konstituierte und damit ontologisch abhängige Eigenschaften bestimmt. Die Macht, die mit ihnen verteilt wird, ist nicht institutionenunabhängig vergleichbar. Titus Stahl Goethe-Universität Frankfurt
  12. Soziale Gerechtigkeit und institutionelle Macht Zurück zu Rawls II Wir

    können keine Theorie der gerechten Verteilung von Macht mit den Mitteln Rawls' entwerfen: Das Kriterium der Verteilungswirkung ist zirkulär, wenn die Güter selbst wiederum nur unter Rekurs auf Machtbeziehungen in ihren wesentlichen Eigenschaften bestimmt werden können. Verteilungswirkung und Chancengleichheit reichen nicht hin, um ungerechte Formen der Machtverteilung (Ausbeutung, Diskriminierung) zu kritisieren. Titus Stahl Goethe-Universität Frankfurt
  13. Soziale Gerechtigkeit und institutionelle Macht Macht als Grundgut? Ist Macht

    eines der Grundgüter, die nach dem Dierenzprinzip verteilt werden sollten? Rawls selbst lässt es wohlweislich bleiben, dies zu versuchen. Macht ist in zahlreichen relevanten Fällen institutionengebunden. Macht in einer Institution kann nicht generell Machtlosigkeit in anderen Kontexten kompensieren. Titus Stahl Goethe-Universität Frankfurt
  14. Soziale Gerechtigkeit und institutionelle Macht Republikanismus Republikanismus: Gerechtigkeit als Minimierung

    der Möglichkeiten willkürlicher Machtausübung. (+) nimmt interne Perspektive auf Institutionen ein; () zu schwach, wenn Willkür formal deniert wird; zirkulär, wenn sie substantiell bestimmt wird. Titus Stahl Goethe-Universität Frankfurt
  15. Soziale Gerechtigkeit und institutionelle Macht Hermeneutik Hermeneutische Theorie (Walzer): Gerechtigkeit

    als Abwehr illegitimer Übergrie der Macht einer Institution auf die Statusverteilung in einer anderen Institution. (+) substantielles Kriterium () kann nicht zum Vergleich verschiedener institutioneller Strukturen dienen; nur internes Kriterium. Titus Stahl Goethe-Universität Frankfurt
  16. Soziale Gerechtigkeit und institutionelle Macht Konstitutive Macht Drei plausible Begrenzungen

    von Macht: Grundrechte Abwehr willkürlicher Machtausübung Abwehr von illegitimen Übergrien zwischen Institutionen − → können jeweils als Sicherung der konstitutiven Macht der Teilnehmerinnen und Teilnehmer verstanden werden. Titus Stahl Goethe-Universität Frankfurt
  17. Soziale Gerechtigkeit und institutionelle Macht Konstitutive Macht Eine gesellschaftliche Grundstruktur

    ist nur dann gerecht, wenn ihre Institutionen so aufgebaut sind, dass niemand durch die Macht anderer daran gehindert wird, seinen Einuss auf die institutionelle Gestalt der Gesellschaft geltend zu machen. Titus Stahl Goethe-Universität Frankfurt