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Rechtliche Aspekte der Telemedizin

Rechtliche Aspekte der Telemedizin

Digitalgipfel Gesundheit

November 28, 2017
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  1. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 1

    Digitalgipfel Gesundheit Rechtliche Aspekte der Telemedizin Hon.-Prof. Dr. jur. Karsten Scholz Justiziar der Ärztekammer Niedersachsen
  2. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 2

    Überblick • Kurzer Rückblick • (sog.) Fernbehandlungsverbot • Sozialrechtliche Fragen • Haftungsrechtliche Fragen
  3. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 3

    Telemedizin • Telemedizin ist die ärztliche Tätigkeit aus der Entfernung, bei der Eingriffe, diagnostische und therapeutische Entscheidungen und Empfehlungen auf klinischen Daten, Dokumenten und anderen Informationen basieren, die durch Telekommunika- tionssysteme übermittelt werden. • „Ethik und Verantwortung in der Telemedizin“ – Erklärung der 51. Generalversammlung Weltärztebundes 1999 in Tel Aviv • Teleassistenz nur für Patienten in geographisch isolierter und feindlicher Umgebung; positiver: Telemonitoring • www.aekn.de/arztspezial/infos-fuer-klinik-praxis/checkliste-fuer- die-gute-medizinische-website/ • Ergebnis des Wettbewerbs 2001 bis 2011 ÄKN / KVN
  4. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 4

    OLG München v. 8.10.2015 – 6 U 1509/15 • Ein Geschäftsmodell zur medizinischen Beurteilung möglicher Erkrankungen der Augenhintergründe, bei dem bei einem in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Augenoptiker ein Foto der Augenhintergründe des Kunden des Augenoptikers gefertigt wird, dieses Foto elektronisch an einen Arzt übermittelt wird und das durch den Arzt ermittelte Ergebnis der Beurteilung der Augenhintergründe von dem Augenoptiker wieder an den Kunden des Augenoptikers ausgehändigt wird, verstößt mangels einer "unmittelbaren ärztlichen Behandlung" des Kunden gegen das Fernbehandlungsverbot gem. § 7 Abs. 4 MBO bzw. der entsprechenden Vorschriften der 17 Berufsordnungen der einzelnen Landesärztekammern.
  5. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 5

    OLG München v. 8.10.2015 – 6 U 1509/15 • Für das Vorliegen einer Behandlung i. S.v. § 7 Abs. 4 MBO ist ausreichend, dass die im Rahmen des Geschäftsmodells eingebundenen Augenärzte lediglich eine Verdachts- oder Negativdiagnose erstellen; ein konkreter Therapievorschlag muss hierfür nicht erfolgen.
  6. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 6

    OLG München v. 8.10.2015 – 6 U 1509/15 • Die Vorschriften der Bundesärzteordnung bzw. der Landes- berufsordnungen für Ärzte finden mangels einer "grenzüber- schreitenden ärztlichen Tätigkeit" i. S.v. § 2 Abs. 7 MBO im Geltungsbereich der Berufsordnung keine Anwendung auf nicht in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Ärzte im EU- Ausland, die im Rahmen des genannten Geschäftsmodells als Gutachter herangezogen werden. Die in Erwägungsgrund 19 sowie in Art. 1 und Art. 3 lit. d) der Richtlinie 2011/24/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 09.03.2011 über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung enthaltenen Wertungen sind hierbei zu berücksichtigen.
  7. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 7

    § 7 Abs. 4 BO ÄKN • Ärzte dürfen individuelle ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung, nicht ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien durchführen. Auch bei telemedizinischen Verfahren ist zu gewährleisten, dass ein Arzt den Patienten unmittelbar behandelt. • str: Befindlichkeitsstörungen, die üblicherweise im Wege der Selbstmedikation behandelt werden • Zweitmeinung; Abklären von Dringlichkeit / Versorgungsstufe • Berufsaufsicht; ggfs. Untersagungsverfügung • Eingriff in Art. 12 GG – Berufs(ausübungs)freiheit • Ja / Nein – Entscheidung – keine Differenzierung – noch sachgerecht? • Maßstab für nicht-ausschließliche Fernbehandlung – gewissenhafte Berufsausübung
  8. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 8

    www.arbeiten-auf-bohrinseln.de • Eine Bohrinsel stellt man sich am besten wie eine kleine Fabrik vor. … Nicht die gesamten Mitarbeiter, die je nach Inselgröße zwischen 100 und 1000 Leuten schwankt, sind unmittelbar am Bohrvorgang beteiligt. Eine Vielzahl ist u.a. auch im Telefondienst, Küche, Reinigung usw. tätig. • § 11 Abs. 4 Bedarfsplanungs-Richtlinie: • Die Verhältniszahl wird für die Arztgruppe der Hausärzte einheitlich mit dem Verhältnis: 1 Hausarzt zu 1.671 Einwohnern festgelegt.
  9. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 9

    Befunderhebungsfehler • = Unterlassen der Erhebung medizinisch gebotener Befunde • OLG Koblenz - Urteil vom 13.01.2016 - 5 U 290/15 • Sieht ein Augenarzt im Bereitschaftsdienst am Wochenende davon ab, den Patient persönlich zu untersuchen, und beschränkt sich stattdessen auf die telefonische Empfehlung, am darauffolgenden Werktag den örtlichen Facharzt aufzusuchen, kann darin ein Versäumnis gesehen werden, das die Beweislast zugunsten des Patienten umkehrt (hier bejaht bei Iritis) • Beweist der Arzt in einem derartigen Fall, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem Versäumnis und dem Primärschaden wenn nicht ausgeschlossen, so doch äußerst unwahrscheinlich ist, scheidet eine Haftung gleichwohl aus. • Videosprechstunde statt Hausbesuch im Bereitschaftsdienst?
  10. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 10

    Berufsordnung LÄK Ba-Wü • Modellprojekte, insbesondere zur Forschung, in denen ärztliche Behandlungen ausschließlich über Kommunikationsnetze durchgeführt werden, bedürfen der Genehmigung durch die Landesärztekammer und sind zu evaluieren. • § 31 Heilberufe-Kammergesetz • Das Nähere über die Berufspflichten regelt die Berufsordnung. … Die Berufsordnung kann weitere Vorschriften über Berufspflichten enthalten, insbesondere hinsichtlich …. • Beratung?; Antragsteller?; Allgemeinverfügung?; Kriterien?; gebundene Entscheidung / Ermessen? • Differenzierung nach Sinnhaftigkeit?
  11. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 11

    Reformüberlegungen • § 7 Abs. 4 MBO-Ä (neu) - Herkunftslandprinzip • Ärzte beraten und behandeln Patienten im persönlichen Kontakt. Elektronische Kommunikationsmedien können sie dabei unterstützend einsetzen. Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien ist nur zulässig, wenn diese im Einzelfall ärztlich vertretbar und der Patient damit einverstanden ist sowie unter Beachtung besonderer Sorgfaltspflichten geschieht. Gesetzliche Verbote bleiben unberührt. • aber§ 9 HWG - Marktortprinzip • Unzulässig ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung). • Was ist „Werbung“?
  12. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 12

    § 48 Abs. 1 S. 2 und 3 AMG / 8 Abs. 2 AM-RiLi • Eine Abgabe von Arzneimitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, darf nicht erfolgen, wenn vor der ärztlichen oder zahnärztlichen Verschreibung offenkundig kein direkter Kontakt zwischen dem Arzt oder Zahnarzt und der Person, für die das Arzneimittel verschrieben wird, stattgefunden hat. Hiervon darf nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden, insbesondere, wenn die Person dem Arzt oder Zahnarzt aus einem vorangegangenen direkten Kontakt hinreichend bekannt ist und es sich lediglich um die Wiederholung oder die Fortsetzung der Behandlung handelt. • Sicherung der Qualität – birgt Risiko von Fehldiagnosen; Ferndiagnose nicht ausreichend • Eine Verordnung von Arzneimitteln ist - von Ausnahmefällen abgesehen - nur zulässig, wenn sich die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt von dem Zustand der oder des Versicherten überzeugt hat oder wenn ihnen der Zustand aus der laufenden Behandlung bekannt ist.
  13. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 13

    Realitäten Reformbedarf ? • Daten / Bilder können systematisch ausgewertet und daraus kann neues Wissen gewonnen werden – Fokus von Investitionen • Telemedizin überwindet Distanzen – weltweit • EU-Dienstleistungsfreiheit • Liberalisierungsdruck aus anderen Ländern (Grenze D / CH: 316 bzw. 347 km); „Marktdruck“, z.B. Interoperationalitätsverzeichnis, § 291g SGB V • Lohngefälle - Fachkräftereserve • Telemedizin verändert Zeitbedarf der Fachdisziplinen / „sprechende Medizin“ – Änderungen bei Bedarfsplanung – Nachbesetzungsverfahren • Vertrauensverhältnis / kann Anonymität Scham überwinden? • Anonymität kann Kompetenz verschleiern (siehe Gendiagnostik) • Regionalprinzip – Lernen voneinander – interprofessionelles Vertrauen – Weiterbildung des Nachwuchses • Demographischer Wandel • Bereitschaft zur Eigenverantwortung steigt
  14. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 14

    § 291a Abs. 8 SGB V • Vom Inhaber der (elektronischen Gesundheits-) Karte darf nicht verlangt werden, den Zugriff auf Daten … anderen als den in … genannten Personen oder zu anderen Zwecken als denen der Versorgung der Versicherten, einschließlich der Abrechnung der zum Zwecke der Versorgung erbrachten Leistungen, zu gestatten; mit ihnen darf nicht vereinbart werden, Derartiges zu gestatten. Sie dürfen nicht bevorzugt oder benachteiligt werden, weil sie einen Zugriff bewirkt oder verweigert haben. • Freiwilligkeit – Selbstbestimmungsrecht (analog Delegation) • Keine Beitragsdifferenzierung
  15. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 15

    Allgemein anerkannter Standard • § 630a Abs. 2 BGB • Die Behandlung hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist. • § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V • Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.
  16. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 16

    pc welt Die erste Möglichkeit, Bilder zu schärfen kann ihre Kamera für Sie erledigen. Lesen Sie sich ihr Benutzerhandbuch der Kamera durch und Sie werden womöglich einen Weg finden, dass jedes Bild direkt bei der Aufnahme geschärft wird. Diese eingebaute Funktion ist ein einfacher Weg die Bilder zu verbessern, ist aber leider nicht perfekt. Auf diese Art und Weise haben Sie keine Kontrolle wie viel Schärfe auf dem Bild angewandt wird und sie könnten mit dem Ergebnis unzufrieden sein.
  17. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 17

    Standard • Das Gebot der Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) schließt die Verpflichtung ein, sich über neuere medizinische Erkenntnisse zu informieren und diese erforderlichenfalls zeitnah, d.h. ggf. nach einer Karenzzeit zum Wohl seiner Patienten umzusetzen. Andernfalls kann ein zur Beweislastumkehr führender grober Behandlungsfehler vorliegen. • Telemedizinisches Konsil als Alternative zu einer Verlegung? • Kann Telemedizin das Niveau eines Hauses der Grund- und Regelversorgung erhöhen? • Einschaltung von Referenzzentren • Sichere Standleitung als Organisationspflicht? • (Kürzere) Intervalle für die Wundbetrachtung?
  18. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 18

    Überwachungspflichten • Wer Daten erhält, z.B. beim Telemonitoring oder vom Labormediziner, muss diese auch auswerten – ggf. auch am Heiligen Abend • Abstände? – AGB? – minimalerer Standard vereinbar? • Was sagt Ihre Haftpflichtversicherung? • Fehler der Software führen zur Haftung des Herstellers nach den Grundsätzen der Produkthaftung
  19. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 19

    Videosprechstunde • Synchrone Kommunikation zwischen einem Vertragsarzt und einem ihm bekannten Patienten iSe Online-Videosprechstunde in Echtzeit • BMV-Ä Anlage 31b – Vereinbarung über die Anforderungen an die technischen Verfahren zur Videosprechstunde gemäß § 291g Absatz 4 SGB V • Datenschutz: Verweis auf Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis von BÄK und KBV • Nachweis betr. Informationssicherheit; Zertifikat entweder des BSI oder einer von der Dt. Akkreditierungsstelle (DAkkS) akkreditierten Stelle; betr. Datenschutz Datenschutzzertifikat
  20. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 20

    Videosprechstunde • Für beide Seiten freiwillig – schriftliche Einwilligung • In geschlossenen Räumen, die eine angemessene Privatsphäre sicherstellen; Klarname für Arzt erkennbar • Zu Beginn Vorstellung aller im Raum anwesenden Personen • Keinerlei Aufzeichnungen während der Videosprechstunde; Anbieter darf Inhalte der Sprechstunde nicht einsehen • Nutzung des Kanals nur durch den Vertragsarzt; Zweitzugang für organisatorische Kommunikation möglich • Peer-to-peer Verbindung; zentraler Server nur zur Gesprächsvermittlung und nur in der EU platziert • werbefrei
  21. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 21

    EBM • Zum 1.4.2016 (3 1/2 Jahre verspätet) erste telemedizinische Leistung im EBM – telemedizinische Kontrolle von Patienten mit einem Kardioverter / Defibrilator oder einem System zur kardialen Resychronisationstherapie (CRT-System) • E-Health-Gesetz: Berichtspflichten, Eingriffsbefugnisse
  22. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 22

    Persönliche Leistungserbringung • § 15 Abs. 1 S. 1 BMV-Ä • Jeder an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt ist verpflichtet, die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich auszuüben. • § 4 Abs. 2 S. 1 GOÄ • Der Arzt kann Gebühren nur für selbständige ärztliche Leistungen berechnen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (eigene Leistungen). • Beziehbarkeit technischer Leistungen? z.B. Mammographie-Screening • Abrechenbarkeit nur dann, wenn alle obligatorischen Leistungsinhalte erbracht worden sind • Teil-Berufsausübungsgemeinschaft
  23. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 23

    § 2 Abs. 3 Nr. 4 Hausarztvertrag • Die an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte sind auch verpflichtet, folgende besonderen hausärztlichen Versorgungsfunktionen kontinuierlich zu erfüllen: • Die Patientendaten aus der ambulanten und stationären Versorgung zu dokumentieren und weiterbehandelnden Vertragsärzten sowie Krankenhausärzten im Rahmen der berufsrechtlichen Bestimmungen zu übermitteln; dazu gehört insbesondere: • − die Dokumentation der notwendigen Behandlungsdaten aus der eigenen Untersuchung oder Behandlung des Versicherten; • − zum Zweck der Dokumentation die Erhebung der wesentlichen Behandlungsdaten und Befunde über den Versicherten bei den Vertragsärzten, welche den Versicherten weiterbehandeln, sofern dieser mit der Übermittlung an den dokumentierenden Arzt einverstanden ist; • − die Zusammenführung, Bewertung und Aufbewahrung dieser und weiterer Daten aus der ambulanten und stationären Versorgung.
  24. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 24

    § 203 StGB (neu) • … „Die in den Absätzen 1 und 2 Genannten (z.B. Ärzte) dürfen fremde Geheimnisse gegenüber sonstigen Personen offenbaren, die an ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit mitwirken, soweit dies für die Inanspruchnahme der Tätigkeit der sonstigen mitwirkenden Personen erforderlich ist.“ … • Patienteneinwilligung bei Verfolgung eigener Zwecke • aus einer Pressemitteilung: • Dies ermöglicht Berufsgeheimnisträgern wie Ärzten, Rechtsanwälten oder auch Steuerberatern die Verwendung zeitgemäßer und kosteneffizienter Cloud-basierter Services, beispielsweise Programme zur Prozessoptimierung im Rechnungswesen.
  25. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 25

    § 630f BGB • Dem Patienten ist auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte zu gewähren. …. Der Patient kann auch elektronische Abschriften von der Patientenakte verlangen. • Überspielen der Daten von der Cloud auf ein Patientenfach • „Bewerten der Daten“ durch „Künstliche Intelligenz“
  26. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 26

    Legal Tech / Technology • Software und Online-Dienste, die juristische Arbeitsprozesse unterstützen oder gänzlich automatisch durchführen • Stufe 1: Outsourcing von Massenverfahren (z.B. Zeugnisprogramm, Reisemängel, einfache Klageschriften) • Stufe 2: juristisches Arbeiten und Kommunikation übernehmen Programme selbstständig und ersetzen menschliche Sachbear- beiter (z.B. Sachverhaltsaufklärung – Suche nach Kündigungs- fristen von Verträgen, Risikobewertungen) oder Vertragsent- würfe (z.B. Praxiskaufvertrag) bzw. Handlungsempfehlungen • Digitale Schlichtungen bei Verbraucherverträgen • Verträge als maschinenlesbarer Datensatz • Rechtsdienstleistungen durch neue Anbieter, die keine Freiberufler sind – kostenlose Angebote / EU-Strategie
  27. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 27

    Legal Tech / Technology • Digitaler Pionier in Sachen automatischer Dokumenten-erstellung in D ist etwa die janolaw AG, die mit janoContract seit 2002 webbasierte Vertragsassistenten anbietet. Schwerpunkt sind Angebote für Webshops, deren juristische Dokumente per Schnittstelle aktualisiert werden. Ein weiteres Beispiel für derartige Kanzleisoftware ist der DocCreator der Audi AG, mit dem diese wesentliche Verträge teil- automatisch generiert. Ein Beispiel für vergleichbar standardisierende Anwendungen im B2C-Bereich ist die weitreichende Automatisierung etwa auf Web-Portalen wie EU-Flight und Ersatz-Pilot: Sie prüfen Entschädigungsansprüche von Flugreisenden anhand von Einträgen in einer Eingabemaske, kaufen von Kunden gegen eine direkte Ersatzzahlung deren Ansprüche und setzen diese Forderungen mit automatisch generierten Schriftsätzen durch.
  28. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 28

    § 1 Abs. 2 HeilpraktikerG • Ausübung der Heilkunde im Sinne dieses Gesetzes ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird. • Üben Softwareprogramme – in Deutschland - Heilkunde aus? • Darf ein Arzt solche Programme einsetzen?
  29. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 29

    Netcoaching • von der Universität Graz entwickeltes Netcoaching für Kinder mit Ösophagusatresie (angeborene Fehlbildung der Speiseröhre) • Betreuung der betroffenen Familien bei der Sondenentwöhnung im häuslichen Umfeld auf telemedizinischem Wege • interdisziplinäres Team aus Ärzten, klinischen Psychologen, Psychotherapeuten und Füttertherapeuten. • Coaching über ein Online-Ticketsystem, in dem die Eltern mit den Therapeuten kommunizieren und Ernährungsprotokolle und Videos hochladen können; Videoanalysen, zwei täglichen Cybervisiten sowie einer individuellen Beratung per E-Mail. Zusätzlich gibt es eine psychologische Begleitung der Eltern. • Behandlungsdauer individuell bis zur erfolgreichen Entwöhnung • steht den Familien durchgehend 24 Stunden am Tag an 7 Tagen in der Woche zur Verfügung • Gesamtpauschale: 4.240 EUR; Vordiagnostik: 120 EUR
  30. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 30

    Netcoaching • Klinische Prüfung; 90% Erfolgsquote • SG Berlin, Urteil vom 11.07.2017 - S 81 KR 719/17 • Bei einem rein telemedizinisch durchgeführten Sondenentwöhnungsprogramm (Netcoaching) handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode i.S.d. § 135 Abs. 1 SGB V, auf die mangels positiver Empfehlung des G-BA (und Aufnahme der Leistung in den EBM) im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung derzeit kein (Kostenerstattungs-) Anspruch besteht. • G-BA obliegt Risiko-Nutzen-Bewertung • Kein Anspruch nach „Nikolaus-Beschluss“ • Firmensitz der N. GmbH ist Graz - § 13 Abs. 4 SGB V
  31. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 31

    Netcoaching • „Behandlungsmethode“: medizinische Vorgehensweise, der ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet, und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll • „Neu“ ist eine Behandlungsmethode grundsätzlich dann, wenn sie bislang nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im EBM-Ä enthalten ist. • Setzt sich eine Behandlungsmethode aus einer Kombination verschiedener – für sich allein jeweils anerkannter oder zugelassener – Maßnahmen zusammen, kann es sich um eine „neue“ Behandlungsmethode handeln, wenn das zugrunde liegende theoretisch-wissenschaftliche Konzept gerade in der neuartigen Kombination verschiedener Einzelleistungen liegt. • Hier: Behandlung im häuslichen Umfeld ohne Infektionsrisiken durch Telemedizin
  32. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 32

    Wege zu neuen Leistungen • Modellvorhaben, §§ 63 ff. SGB V • Satzungsleistungen, § 11 Abs. 6 SGB V • Bonusprogramme, § 65a SGB V • Erprobung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, § 137e SGB V
  33. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 33

    § 68 SGB V - persönliche elektronische Gesundheitsakte • Zur Verbesserung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Versorgung können die Krankenkassen ihren Versicherten zu von Dritten angebotenen Dienstleistungen der elektronischen Speicherung und Übermittlung patientenbezogener Gesundheitsdaten finanzielle Unterstützung (!) gewähren. Das Nähere ist durch die Satzung zu regeln. • Instrument des persönlichen Gesundheitsmanagements – privatrechtlich organisiert – im Gegensatz zur elektronischen Patientenakte in alleiniger Verfügungsgewalt des Versicherten; daher keine Garantie der Vollständigkeit • § 12 SGB V – Kompatibilität mit der Telematikinfrastruktur erforderlich
  34. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 34

    Leistungserbringer • Delegation, § 28 Abs. 1 SGB V • Die ärztliche Behandlung umfasst die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Zur ärztlichen Behandlung gehört auch die Hilfeleistung anderer Personen, die von dem Arzt angeordnet und von ihm zu verantworten ist.
  35. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 35

    Leistungserbringer • Delegations- oder Kostenerstattungsverfahren? • Überweisungsvorbehalt • KV-bereichsübergreifend – unabhängig von Bedarfsplanung • Kapitalintensiv? – (gemeinsame) „ausgelagerte Praxisstätte“? • Zulassungsverfahren durch „Bundes-Zulassungsausschuss“ oder Vergabeverfahren? • Morbiditätsbedingte Gesamtvergütung
  36. www.aekn.de 28. November 2017 Rechtliche Aspekte der Telemedizin Seite 36

    Fazit • Berufsrecht • Neufassung zur Regelung der Fernbehandlung • Sozialrecht • Materielle Regelungen, welche telemedizinischen Verfahren eingesetzt werden dürfen – ambulant; z.T. auch stationär / Reha • Delegationsmodell über Vertragsärzte / MVZ („Einkauf“: Pauschale oder Spitzabrechnung) • oder zugelassene Leistungserbringer – „digitales Budget“? • Nachdenken über Standard